Das Bild der Investoren und VCs hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich geändert. Wurde Ende der 90er Jahre von Venture Capital Gesellschaften noch mit Millionen von Risikokapital um sich geworfen, haben die geplatzte Dotcom-Blase und die Finanzkrise 2008 zu einem radikalen Umdenken in Investorenkreisen geführt. Vertrauen und Empfehlungen sind heute in Investorenkreisen das höchste Gut. Die im Businessplan versprochene vermeintliche Rendite kann noch so hoch sein, das Investment landet eher bei einem scheinbar weniger lukrativen Angebot, wenn es von einem guten Bekannten empfohlen wird. Schon längst wird nicht mehr blind in ein Startup investiert, nur weil auf dem Firmenschild irgendwas mit „online“ oder „App“ steht. Selbst der Hype um „Künstliche Intelligenz“ ist schneller abgeflaut, als man es vermutet hätte. Ist so über die Jahre aus dem Venture Kapitalist der Empfehlungskapitalist entstanden? Aber einen Schritt zurück.

Empfehlungskapitalist

Was ist eigentlich Venture-Capital?

Der Begriff Venture Capital kommt aus dem englischen und bezeichnet Wagniskapital oder noch einfacher ausgedrückt Risikokapital. Dabei handelt es sich um eine Form von außerbörslichem Beteiligungskapital (private equity), welches in der Regel von Investoren für besonders riskant geltende Unternehmungen bereitstellt wird. Hierzu zählen meist Unternehmensideen, die noch in ihren Anfängen stecken, aber trotz hohem Risiko ein extrem hohes Wachstumspotenzial aufweisen. Für dieses Wagniskapital erhält der Investor Anteile am Unternehmen und bringt das Investment in Form von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Finanzierungsinstrumenten wie Wandelanleihen oder Mezzanine-Kapital ein. Häufig erfolgt diese Art der Finanzierung durch spezialisierte Wagniskapitalgesellschaften, also eine Venture-Capital-Gesellschaft (VCG).

Ist Venture-Capital ein Kredit?

Venture-Capital stellt keine Kreditform im klassischen Sinne dar, sondern ist vielmehr eine Form der Entwicklungshilfe für ein junges Unternehmen, was sich meist im Early-Stage befindet. So finanziert ein Venture-Capitalist junge Startups bzw. Entrepreneure in dem Bewusstsein, dass dieses Vorhaben scheitern kann und er das investierte Geld vollständig verliert. Auf diese Art wurden vor allem zu Zeiten des Neuen Marktes Unsummen an Geldern verbrannt. Deshalb wählen Venture-Capitalists heute ihre Investments eigentlich nur noch nach intensiven Recherchen und mit Bedacht aus. Zur Streuung des Risikos wird außerdem häufig in mehrere Geschäftsideen gleichzeitig investiert, wobei von vornherein klar ist, dass von denen am Ende nur ein Bruchteil profitabel sein wird. Weil die höchsten Risiken bei finanziellen Investitionen in der Startup-Branche vorkommen, sind Venture Capital und Venture Capitalist dort seit Jahren absolut gängige Begriffe.

Ist ein Venture-Capitalist ein Kapitalist?

Zunächst einmal ist ein Venture Capitalist ein Investor, der in Wagniskapital investiert. Die Bezeichnung „Venture Kapitalist“ leitet sich vom Begriff „Venture-Capital“ ab, was auf deutsch eben Risikokapital bzw. Wagniskapital bedeutet und eine Investment-Form mit einem enormen Risiko ist. Dem Kapitalgeber ist jederzeit bewusst, dass dieses Geld gegebenenfalls keine Rendite einfährt oder sogar gänzlich verloren gehen kann. Dies wiederum passt nur bedingt zum bekannten Bild eines Kapitalisten. Als Kapitalist bezeichnet man klassisch den Kapitalgeber eines Unternehmens, der schwerpunktmäßig nicht seine Arbeitskraft, sondern sein Kapital zur Mehrung des Wohlstands nutzt. Nur wenige Menschen würden sich allerdings selbst als „Kapitalist“ bezeichnen und noch weniger würden das gut finden. Warum eigentlich? Ein Kapitalist steckt doch in allen von uns. Bei manchen mehr, bei manchen weniger ausgeprägt. Kapitalismus ist doch grundsätzlich gut, es geht darum, aus wenig mehr zu machen. Und so schließt sich der Kreis zum Venture Capital – auch hier geht es letztlich nur darum, aus dem eingesetzten Kapital im Wissen um das Risiko ein Vielfaches zu machen.

Vertrauen ist heute wichtiger als Chance auf hohe Rendite

Ein Investor der regelmäßig Businesspläne vorgelegt bekommt, die utopische Renditen versprechen und wo häufiger vom nächsten Unicorn die Rede ist, als vom belastbaren Background der Gründer, entscheidet zunehmend weder nach Zahlen noch nach Bauchgefühl. Egal ob man sie VC, Business Angel oder Privatinvestor nennt, am Ende sind es doch alles oben beschriebene Kapitalisten, die versuchen, aus möglichst wenig Einsatz mehr zu machen. Und um das Risiko überschaubar zu halten, nutzt der moderne Investor heute mehr denn je sein Netzwerk, um Marktentwicklungen, Ideen oder Personen besser bewerten zu können. Erhält er eine Empfehlung für ein Investment von einer vertrauten Person, spielen der Businessplan und die Geschäftsidee als solche nur noch eine untergeordnete Rolle. Wir leben heute in einer Welt von Empfehlungskapitalisten.

Der Empfehlungskapitalist minimiert sein Risiko

Die Empfehlung für ein Investment von einem Partner oder guten Bekannten schmälert das Risiko eines Verlustes ja nur bedingt. Denn auch der Empfehlende steckt meist nicht in dem zu finanzierenden Objekt oder Geschäftsmodell im Detail drin. Aber wir erleben hier eine Analogie zum Viralen Marketing. Anfang der 2000er begann diese scheinbar neuartige Form des Marketings, die letztlich nichts anderes ist, als das zumeist digitale Revival der Mundpropaganda. Hierbei werden Medien und soziale Netzwerke genutzt, um durch eine epidemische Verbreitung von Nachrichten nahezu ohne Einflussmöglichkeiten Marken, Produkte oder Kampagnen in kürzester Zeit bekannt zu machen. Eine besondere Art des Viralmarketings bzw. Empfehlungsmarketings ist das aktive virale Marketing, welches eine Aktion seitens des Verbreiters benötigt. Dieser hat sich in der Regel intensiv mit dem Thema oder dem Produkt auseinandergesetzt und tritt nun als Fürsprecher, Markenbotschafter oder heute wohl besser bekannt, als sogenannter Influencer auf. Der Mensch ist von der überzeugenden Botschaft eines Bekannten schneller und problemloser zu überzeugen, als von hunderten bunten Werbeanzeigen in TV, Zeitschriften oder im Internet für das gleiche Produkt. Der Grund liegt im Vertrauen. Übertragen wir diesen Vertrauensbonus nun also in die Finanzwelt, haben wir es beim modernen Venture Kapitalisten doch auch nur mit einem Menschen zu tun, der sein Risiko durch Erfahrungen und Empfehlungen von Bekannten minimieren will. Natürlich treffen wir Empfehlungskapitalisten nicht in der VC-Szene an, sondern hier haben wir es mit Privatinvestoren und Privatiers zu tun.

Der Trend vom wagemutigen Venture-Capitalist hin zum Empfehlungskapitalist wird mit zunehmender Unsicherheit in den Finanzmärkten und Anlagetrends hin zu Bitcoin und Edelmetallen weiter zunehmen. Am Ende haben wir aber doch wieder einen Kapitalisten, der aus wenig mehr machen will, nur eben auf explizite Empfehlung.